Unterschiedliche Beurteilungen bei der Umsatzsteuer
Ein steuerliches Thema, das in der Pflegebranche häufig außer Acht gelassen wird, ist die Umsatzsteuer. Eine besondere Herausforderung haben dabei die Anbieter des betreuten Wohnens zu meistern. Wir zeigen Ihnen die Unterschiede in der steuerlichen Beurteilung, die es zu berücksichtigen gilt.
Das betreute Wohnen soll eine Möglichkeit bieten, auch mit fortschreitendem Alter sowie einer eventuellen Pflegebedürftigkeit ein gewisses Maß an Selbstständigkeit und Normalität beizubehalten. Das Konzept stützt sich auf den Grundsatz: „So viel Selbständigkeit wie möglich, so viel Hilfe wie nötig.“
Dabei kann es jedoch zu unterschiedlichen umsatzsteuerlichen Beurteilungen kommen.
Im Rahmen des betreuten Wohnens wird ein Leistungsbündel häufig von unterschiedlichen Leistungsanbietern erbracht. Dieses besteht in der Regel aus
- Vermietungsleistungen
- Grundleistungen
- Zusatzleistungen
Im Rahmen der Leistungsangebote kann die Bewohnerin oder der Bewohner entsprechend ihren bzw. seinen Bedürfnissen teilweise das Leistungspaket individuell zusammenstellen.
Vermietungsleistungen
Die Vermietung der Wohnungen inkl. Küche und Badausstattung stellt grundsätzlich eine umsatzsteuerfreie Vermietung nach § 4 Nr. 12 UStG dar. Hierzu zählen auch die in unmittelbarem wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden üblichen Nebenleistungen, wie z. B. Lieferung von Wärme, Versorgung mit Wasser, Überlassung von Waschmaschinen, Reinigung und Mitbenutzung von Gemeinschaftsflächen, Wartung der Gebäude und Pflegearbeiten der Außenanlagen.
Sofern die potentielle Bewohnerin oder der potentielle Bewohner jedoch nur einige Wochen zur Probe wohnt, handelt es sich um eine kurzfristige Vermietung von Wohnraum. Diese unterliegt der gesetzlichen Umsatzbesteuerung.
Grundleistungen
Eine Steuerbefreiung von der Umsatzsteuer nach § 4 Nr. 16 UStG setzt voraus, dass
a. eng mit der Betreuung- oder Pflege verbundene Leistungen
b. an hilfsbedürftige Personen
c. durch eine sozial anerkannte Einrichtung nach § 4 Nr. 16 Buchstabe a ff. UStG
erbracht werden.
Nennenswert sind hier vor allem Pflegeberatung, Leistungen beim Hausnotruf, Erteilung von Pflegekursen, Informationen über anstehende Events, Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner für alle Belange des Alltags, Koordination Fremdwäscherei, Haustechnik und hauseigene Reinigung, Vermittlung eines ambulanten Pflegedienstes und weitere Dienstleistungen.
Darüber hinaus sind hiervon auch die Verpflegung mit Mahlzeiten, die mindestens einmal wöchentlich stattfindende Wohnungsreinigung und die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Wäschedienstes erfasst. Der Grund liegt darin, dass diese Leistungen die Unterstützung der Seniorinnen und Senioren sicherstellen und darüber hinaus denjenigen Dienstleistungen entsprechen, die auch Altenheime nach der nationalen Regelung anbieten müssen (Urteil des EuGH vom 21. Januar 2016 – C-335/14).
Hilfsbedürftig im Sinne des § 4 Nr. 16 UStG sind Personen, die aufgrund ihres körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes der Betreuung und Pflege bedürfen, weil sie krank, behindert oder von einer Behinderung bedroht sind.
Unter Berücksichtigung des Normzwecks, eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistungen von der Umsatzsteuer zu befreien, erfordert der Begriff der „Hilfsbedürftigkeit“
- einen Grundpflegebedarf bzw. Bedarf nach Haushaltshilfe (§ 14 SGB XI und § 61 a SGB XII),
- eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz (§ 45 a SGB XI) oder
- altersbedingte Schwierigkeiten, die eine Hilfsbedürftigkeit im Sinne der Altershilfe begründen (§ 71 SGB XII).
Einer besonderen Schwere, die für die Feststellung eines Pflegegrads erforderlich ist, bedarf es nicht.
Diese Norm definiert, welche Einrichtungen begünstigt sind. Ein besonderes Augenmerk ist dabei auf den „Auffangposten“ nach § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchstabe m UStG zu legen: Hierunter fallen Einrichtungen, bei denen im vorangegangenen Kalenderjahr die Betreuungs- und Pflegekosten in mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe vergütet worden sind. Dies entscheidet sich nach Maßgabe sozialversicherungsrechtlicher Regelungen.
Europarechtlicher Ursprung
Die Vorschrift beruht unionsrechtlich auf Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g MwStSystRL. Danach befreien Mitgliedstaaten die „eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen, einschließlich denjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedsstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden.“
Es ist zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift der leistenden Unternehmerin oder dem leistenden Unternehmer die Anwendung der Steuerfreiheit ermöglichen will und daher unter praktikablen Bedingungen anwendbar sein muss. Dies gilt umso mehr, als die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit gerade in den Fällen ermöglicht werden soll, in denen es an unmittelbaren Vertragsbeziehungen zu z. B. Sozialversicherungsträgern, wie nach § 4 Nr. 16 Buchstabe b bis l UStG vorausgesetzt, fehlt.
Steht fest, dass die Empfänger der durch die Unternehmer erbrachten Leistungen aufgrund der Zuerkennung eines Pflegegrads zum Leistungsbezug berechtigt sind, kann für diese Leistungsempfängerinnen und Leistungsempfänger eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger unterstellt werden.
Zusatzleistungen umsatzsteuerpflichtig
Zusatzleistungen können bei Bedarf in Anspruch genommen werden und werden gesondert abgerechnet.
Bei diesen Zusatzleistungen handelt es sich nicht um zu den eng mit der Betreuung und Pflege verbundenen Umsätzen. Hierzu zählen insbesondere die Gestellung von Telefonen, die Vermietung von TV-Geräten und WLAN, Entgegennahme von Postein- und -ausgängen, Belegung von Gemeinschaftsräumen für private Veranstaltungen.
Bei diesen Leistungen steht der Anbieter in Konkurrenz mit anderen Unternehmen. Die Leistungen werden regelmäßig der gesetzlichen Umsatzsteuer unterworfen.
Fazit
Gerade im Bereich der vorgestellten Grundleistungen bedarf es erheblicher Prüfungen und Dokumentationen, um Ihre Deklaration der Umsatzsteuer auf sichere Füße zu stellen.
Sprechen Sie uns an. Wir unterstützen Sie gerne bei der steuerlichen Optimierung.