Absenkung des Umsatzsteuersatzes ab 1. Juli 2020
- Einleitung
- Ausgangsleistungen
- Eingangsleistungen
- Ihre Ansprechpartner
1. Einleitung
Überraschend hat die Regierungskoalition im Rahmen ihrer Maßnahmen zur Bewältigung der durch die Corona-Pandemie hervorgerufenen Wirtschaftskrise den Umsatzsteuersatz für den Zeitraum vom 1. Juli 2020 bis zum 31. Dezember 2020 abgesenkt. Diese Maßnahme führt für die Unternehmen zu unmittelbarem Handlungsbedarf und wirft viele Fragen auf.
Hier ein erster Überblick über die zu erwartenden Änderungen:
- Betroffener Zeitraum: 1.7.2020 bis 31.12.2020
- Stand der Gesetzgebung: Gesetzentwurf vom 12. Juni 2020
- Herabsetzung der Umsatzsteuersätze:
- Regelsteuersatz: 16 % (statt 19 %)
- Ermäßigter Steuersatz: 5 % (statt 7 %)
- Verlängerung der Fälligkeit der Einfuhrumsatzsteuer: bis zum 26. Tag des Folgemonats (statt bis zum 16. Tag des Folgemonats)
- Herausforderung: Umstellung Fakturationssoftware, Finanzbuchhaltungssoftware, ERP-System und Compliance-Prozesse bis 1.7.2020 (noch zwei Wochen)
Erforderliche Anpassungen in der betrieblichen Praxis (Überblick):
2. Ausgangsleistungen
Die Anwendung der herabgesetzten Umsatzsteuersätze ist auf den genannten Zeitraum begrenzt, d. h. eine Anwendung erfolgt nur auf die Umsätze, die in der Zeit vom 1.7.2020 bis 31.12.2020 ausgeführt werden. Dieses gilt unabhängig vom Vertragsschluss, von der Rechnungsstellung oder von der Zahlung.
Beispiel 1:
Erbringung einer Leistung zum Regelsatz am 26.6.2020 (22.12.2020)/Rechnungsstellung am 3.7.2020 (7.1.2021) = 19 % (16 %).
Beispiel 2:
Erbringung von Teilleistungen eines Gesamtauftrags zum Regelsatz vor dem 1.7.2020 und nach dem 31.12.2020 = 19 %; nach dem 30.6.2020 und vor dem 1.1.2021 = 16 %.
Lieferungen gelten dann als ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht an dem Gegenstand erworben hat; wird der Gegenstand befördert oder versendet, ist die Lieferung mit Beginn der Beförderung oder Versendung ausgeführt.
Sonstige Leistungen (auch Werkleistungen) sind im Zeitpunkt ihrer Vollendung ausgeführt. Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen ist die Leistung mit Ende des Leistungsabschnitts ausgeführt, wenn keine Teilleistungen vorliegen.
Vorgenanntes gilt auch für die (eine Leistung ersetzenden) Einzweckgutscheine, die im Zeitpunkt ihrer Herausgabe der Besteuerung unterliegen und die nicht sowohl innerhalb als auch außerhalb des Herabsetzungszeitraums eingelöst werden können; Mehrzweckgutscheine unterliegen dagegen im Zeitpunkt ihrer Einlösung dem zu diesem Zeitpunkt geltenden Umsatzsteuersatz.
Vorabvereinnahmung von Leistungsentgelten (punktueller Übergang zur IST-Besteuerung): Liegen Vereinnahmungszeitpunkt und Leistungszeitpunkt nicht beide innerhalb oder außerhalb des Absenkungszeitraums, ist eine Anpassung im Voranmeldungszeitraums der Leistungserbringung vorzunehmen.
Beispiel:
Die der am 26.6.2020 entgegengenommenen Anzahlung zu Grunde liegende Leistung wird am 3.7.2020 ausgeführt. Die im Juni zum Regelsatz von 19 % vorangemeldete Umsatzsteuer muss im Juli auf den abgesenkten Regelsatz korrigiert werden.
Für Änderungen der Bemessungsgrundlage ist entscheidend, welchem Steuersatz die zu Grunde liegenden Leistungen im Zeitpunkt der Leistungserbringung unterlegen haben; dieser Steuersatz ist auch für die Änderung der Bemessungsgrundlage im Voranmeldungszeitraum des Eintritts der Änderung maßgebend. Jahresboni sind ggf. aufzuteilen.
Beispiel:
Leistungserbringung zum Regelsteuersatz am 26.6.2020 = 19 %;
Rabattgewährung auf die erbrachte Leistung am 3.7.2020 = ebenfalls 19 % (nicht: 16 %).
Soweit Verträge als Rechnungen dienen (z. B. bei steuerpflichtig gestellter Vermietung) und daher den Steuersatz und Steuerbetrag nennen, sind diese Verträge für die Zeit der Steuersatzsenkungen zu ändern. Die Änderung ist in Form einer einfachen Rechnungsergänzung, die eindeutig auf die zu Grunde liegende Rechnung/Vertrag referenziert, möglich.
Bei etwaigen Auswirkungen der Steuersatzsenkungen auf die Preisgestaltung (Prüfung im Einzelfall auf der Basis der zu Grunde liegenden vertraglichen Vereinbarungen) ist bei der Umstellung langfristiger Verträge zu beachten, dass gegebenenfalls ein zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch entstehen kann.
Werden die Anpassungen der Steuersatzsenkungen nicht umgesetzt, also weiter Rechnungen mit einem zu hohen Umsatzsteuerausweis ausgestellt, entsteht in Höhe der Differenz zwischen dem zutreffenden (niedrigen) Umsatzsteuerbetrag und dem ausgewiesenen (höheren) Umsatzsteuerausweis eine Haftung des Rechnungsausstellers (sog. § 14c UStG-Rechnungssteuer). Wenngleich dieser Haftung regelmäßig durch Abführung der Differenz an das Finanzamt nachgekommen würde, ist hiermit ein größerer administrativer Aufwand verbunden, wenn – von der Rechnungsempfängerseite getriebene – Korrekturen im Nachhinein angestoßen werden (s. u.).
3. Eingangsleistungen
Die vorgenannten Grundsätze zu den ausgangsseitig zu erbringenden Leistungen sind auf die empfangenen Leistungen bzw. die hierfür entgegengenommenen Rechnungen zu spiegeln und im Rahmen der Eingangsrechnungsprüfung nachzuhalten.
Werden in den entgegen genommenen Rechnungen die genannten Grundsätze nicht befolgt, hat gegebenenfalls ein Hinweis an den Rechnungsaussteller auf entsprechende Korrektur zu erfolgen. Denn zu beachten ist, dass ein Vorsteuerabzug nur in der Höhe der gesetzlich geschuldeten Steuer besteht. Ein zu hoher Umsatzsteuerausweis bzw. Vorsteuerabzug einer sog. „§ 14c UStG- Rechnungssteuer“ (s. o.) ist unzulässig und wäre daher in einem regelmäßig aufwändigen, zwischen Rechnungssteller und Rechnungsempfänger sowie den beteiligten Finanzämtern zu koordinierenden Verfahren zu korrigieren.
Des Weiteren sind die herabgesetzten Umsatzsteuersätze bei empfangenen Reverse Charge-Umsätzen sowie bei innergemeinschaftlichen Erwerben zu berücksichtigen und systemisch einzupflegen.
Über die weitere Entwicklung werden wir Sie auf dem Laufenden halten. Wir beraten Sie gerne.
4. Ihre Ansprechpartner
Prof. Dr. Torsten Neumann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht