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24.06.2025 Health Care

Unternehmerbrief Health Care

Unternehmerbrief Health Care

  • Die Pflege in der Krise / Hohe offene Posten (OPOS) stellen eine starke wirtschaftliche Belastung für Träger dar
  • Wie gehe ich mit Überstundenzuschlägen bei Teilzeitbeschäftigten um?
  • Umsatzsteuerfreiheit im betreuten Wohnen: Erfreuliches Urteil des FG Münster für Betreiber von Einrichtungen mit betreutem Wohnen

 

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Alarmstufe: Dunkelrot!

Die Pflege in der Krise – mehr als 1200 Pflegeeinrichtungen seit Anfang 2024 insolvent oder geschlossen / Hohe offene Posten (OPOS) stellen eine starke wirtschaftliche Belastung für Träger dar

In diesem Artikel erfahren Sie, wo die Ursachen für das „Heimsterben“ liegen und wie sich davor schützen können.

Ohne Verlässlichkeit keine Versorgung – alarmierende Zahlen

Besonders private Pflegeheime und -dienste geraten durch zögernde Sozialämter und Kassen in eine finanzielle Schieflage. Die Folge: Die OPOS-Liste der Einrichtungen wird länger und länger, Forderungen werden nicht beglichen und bedrohen die Liquidität der Betreiber. Die mangelnde Zahlungsmoral der Kassen und die lange dauernde Anerkennung von Leistungen für pflegebedürftige Sozialhilfeempfänger stellen die Pflegebranche in ganz Deutschland vor große Herausforderungen.

Laut dem Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. (VDAB) sind seit Anfang 2024 bereits über 1200 Pflegeeinrichtungen insolvent oder mussten schließen, darunter einer der Branchenriesen, die Argentum-Gruppe, mit 40 Häusern, rund 3100 Pflegebedürftigen und 2800 Mitarbeitenden. Im Jahr 2023 waren bundesweit insgesamt über 800 Einrichtungen betroffen.

Verzögerte Zahlungen und bürokratische Hürden

Ein zentrales Problem ist die mangelnde Verlässlichkeit bei der Auszahlung der Hilfe zur Pflege. Fehlende Digitalisierung, langwierige Antragsverfahren, verzögerte Antragsbearbeitung aufgrund von Personalmangel, fehlerhafte Rechnungen, Abrechnungsstreitigkeiten sowie Budgetgrenzen und Haushaltsprobleme bei kommunalen Trägern führen zu gravierenden Zahlungsverzögerungen.

Thomas Knieling, Bundesgeschäftsführer des VDAB, warnt: „Wenn die Hilfe zur Pflege als Sozialleistung monatelang – in manchen Fällen sogar jahrelang – nicht ausgezahlt wird, reißt dies riesige Finanzlöcher bei den Pflegeanbietern auf, die nicht mehr gestopft werden können.“

Denn: Pflegeeinrichtungen müssen ihre Leistungen vorfinanzieren, ohne eine klare Perspektive auf die Refinanzierung.

„Heimsterben geht weiter!“

Verbandspräsident Thomas Greiner prognostizierte bereits Anfang 2024: „Das Heimsterben geht weiter, egal ob familiengeführtes Pflegeheim, kirchliche Sozialstation oder leistungsstarkes Pflegeunternehmen.“

In der Tat ist die Versorgungssicherheit auf allen Ebenen gefährdet. Besonders bedenklich ist, dass trotz des wachsenden Pflegebedarfs zunehmend immer weniger Plätze zur Verfügung stehen.

Weitere Ursachen und Herausforderungen

Neben den Zahlungsrückständen sind Fachkräftemangel, steigende Betriebskosten und unzureichende politische Unterstützung die Hauptursachen für die Krise. Das führt zu enormen Außenständen in den Unternehmen, die sich auf sechs- bis siebenstellige Beträge summieren können.

Was muss geschehen?

Der Arbeitgeberverband Pflege fordert eine grundlegende Reform der Pflegefinanzierung. Dazu gehören insbesondere:

Pflegekassen sollen Preissteigerungen anerkennen und entsprechend reagieren.

Verzögerungen bei der Bezahlung durch Kostenträger müssen vermieden werden.

Pflegebedürftige sollen einen Anspruch auf einen Platz in einer Einrichtung haben.

Die Ausbildung und Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte müssen modernisiert werden.

Wenn Sie mit Ihrem Pflegeunternehmen ebenfalls von verspäteten Zahlungen betroffen sind und Ihre Forderungen gegen Pflegekassen und Sozialämtern immer weiter anwachsen, ist es ratsam, schnellstmöglich ein wirksames Forderungsmanagement in Ihrem Unternehmen zu implementieren. Darüber hinaus empfehlen wir, sich rechtzeitig anwaltliche Hilfe einzuholen, bevor die offenen Posten ihre Liquidität bedrohen.

Wie gehe ich mit Überstundenzuschlägen bei Teilzeitbeschäftigten um?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat diese Frage in seiner Entscheidung vom 05.12.2024 – 8 AZR 370/20 thematisiert.

Worum ging es?

Die Arbeitnehmerin ist als Pflegekraft in Teilzeit im Umfang von 40% eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers tätig. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers beträgt laut anwendbarem Manteltarifvertrag im Durchschnitt ausschließlich der Pausen 38,5 Stunden. Für Überstunden fallen Überstundenzuschläge von 30% an, die in der Regel in Freizeit ausgeglichen werden, allerdings nur, so weit Überstunden über die kalendermonatliche Arbeitszeit eines vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers geleistet werden.

Die Arbeitnehmerin erhielt aufgrund dieser Klausel weder einen Zuschlag noch eine Zeitgutschrift für ihre rund 129 geleistete Überstunden. Sie argumentierte, dass diese Regelung sie benachteilige – so-wohl als Teilzeitkraft als auch als Frau, da der Großteil der Teilzeitbeschäftigten im Unternehmen weiblich sei.

Das BAG sprach der Klägerin eine Zeitgutschrift in Höhe der Überstundenzuschläge sowie eine Entschädigung wegen der mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts zu. Vorab legte das BAG die Frage, ob die tarifliche Regelung gegen Unionsrecht verstoße, dem EuGH vor. Der EuGH sah in der tariflichen Regelung einen Verstoß sowohl gegen die Richtlinie über Teilzeitarbeit als auch gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie, da erheblich mehr Frauen als Männer von der Regelung betroffen sind.

Dass eine Diskriminierung aufgrund von Teilzeit (§ 4 Abs. 1 TzBfG) oder wegen des Geschlechts (§§ 1, 7 AGG) unzulässig ist, ist nicht neu. Neu ist allerdings, wann bereits eine Diskriminierung vorliegt: Eine pauschale Anknüpfung von Überstundenzuschlägen auf die Vollzeitarbeit ist diskriminierend, so das BAG. Bei der Bezahlung pro Stunde verdienen Voll- und Teilzeitbeschäftigte das gleiche Entgelt. Teilzeitbeschäftigte müssten jedoch – je nach vertraglicher Arbeitszeit – eine größere Anzahl an Überstunden ohne Zuschläge leisten, während Vollzeitbeschäftigte bereits ab der ersten Überstunde einen Zuschlag erhalten. Das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung sei bei Teilzeitbeschäftigten gestört.

Einen sachlichen Grund für die Ungleichbehandlung hat das BAG nicht gesehen. Insbesondere scheint das BAG nicht der Argumentation zu folgen, dass eine den Überstundenzuschlag rechtfertigende körperliche und/oder psychische Belastung erst ab Überschreiten der für Vollzeitbeschäftigte geltenden Arbeitszeit anzunehmen sei.

Was sind die Folgen dieser BAG-Entscheidung?

Dass Überstundenzuschläge nur für Stunden gezahlt werden, die über die regelmäßige Arbeitszeit von Vollzeitbeschäftigten hinausgehen, war bislang insbesondere in Tarifverträgen nicht unüblich.

Für die Bemessung der Überstundenzuschläge von Teilzeitbeschäftigten müssen ab sofort die gleichen Maßstäbe angelegt werden wie bei Vollzeitbeschäftigten. Das heißt, wird Vollzeitbeschäftigten ein Zuschlag ab der ersten Überstunde gewährt, so ist Teilzeitbeschäftigten ebenfalls ein Zuschlag ab der ersten Überstunde in Bezug auf ihre individuelle Arbeitszeit zu gewähren.

Die Entscheidung birgt Risiken: Zum einen können Beschäftigte das TzBfG ausnutzen, um insoweit ihre Vergütung durch Überstundenzuschläge „aufzubessern“ oder sich einen Freizeitvorteil zu verschaffen – was tatsächlich kein nur theoretisches Problem darstellt. Zum anderen liegt bei Betrachtung der Gesamtvergütung im Grunde eine neue Ungleichbehandlung vor, und zwar von Vollzeitbeschäftigten. Vollzeitbeschäftigte würden bei einer 38,5 Stunden Woche und einer tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden, für 3,5 Stunden einen Überstundenzuschlag erhalten. Teilzeitbeschäftigte mit einer 20 Stunden-Woche würden im Vergleich bei einer tatsächlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 42 Stunden, für 22 Stunden einen Überstundenzuschlag erhalten. Eine weitere Konsequent könnte die Abkehr von Überstundenzuschlägen insgesamt sein.

Die Entscheidung macht deutlich, dass die Anforderungen an eine diskriminierungsfreie Vergütungsstruktur steigen und derzeit mehr Unsicherheit als Rechtssicherheit mit sich bringt. Weiteres „Streitpotential“ bleibt nicht aus.

Umsatzsteuerfreiheit im betreuten Wohnen:

Erfreuliches Urteil des FG Münster für Betreiber von Einrichtungen mit betreutem Wohnen

Die Entscheidung des Gerichts schafft Klarheit! Leistungen im betreuten Wohnen sind steuerfrei – unter bestimmten Voraussetzungen …

Ein Überblick

Die klagende Seniorenresidenz betreibt ein Pflegeheim sowie sieben betreute Wohneinheiten im selben Haus. Sie erbringt Leistungen der Kurzzeitpflege und vollstationären Pflege für Pflegebedürftige gemäß dem Sozialgesetzbuch XI (SGB XI). Zwischen 2009 und 2014 entfielen nur ein geringer Anteil (nicht mehr als 10 %) der Belegungstage auf Bewohner des Pflegeheims und des betreuten Wohnens, die allein eine anerkannte Pflegestufe hatten.

Umsatzsteuerfreiheit an Voraussetzungen geknüpft

Das Finanzamt verweigerte in den Streitjahren die Anerkennung der Steuerfreiheit und argumentierte, dass die Leistungen im betreuten Wohnen – mit Ausnahme der Vermietung – generell nicht steuerfrei seien. Das Finanzgericht Münster widersprach dieser Ansicht und stellte fest, dass die Leistungen des betreuten Wohnens im geschilderten Fall grundsätzlich umsatzsteuerfrei sind, sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen (FG Münster, 15 K 3554/18 U).

Enge Verknüpfung mit Sozialfürsorge

Dabei müssen die Leistungen zunächst grundsätzlich eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbunden sein. Derartige Leistungen würden aber grundsätzlich in einem Heim für betreutes Wohnen erbracht, so das Gericht. Jedoch sind für die Steuerbefreiung gemäß § 4 Nr. 16 UStG mehrere Voraussetzungen zu erfüllen. 

Welche Leistungen sind steuerfrei?

Zu den Leistungen, die nach § 4 Nr. 16 UStG steuerfrei sind, zählen insbesondere:

  • Ambulante Pflege
  • Hauswirtschaftliche Versorgung (Einkaufen, Kochen, Reinigen, Waschen)
  • Gestellung von Haushaltshilfen
  • Betreuungsleistungen
  • Haus-Notruf-Dienste

Nicht umfasst ist die Bereitstellung des Telefonanschlusses.

Hilfsbedürftige Personen

Ferner müssen sich die Leistungen, die im Rahmen des betreuten Wohnens erbracht werden, an hilfsbedürftige Personen wenden.

Hilfsbedürftig sind Personen, die aufgrund körperlicher, geistiger oder seelischer Einschränkungen Betreuung und Pflege benötigen. Das kann krankheitsbedingt sein, eine Behinderung betreffen oder eine erhebliche Einschränkung der Alltagskompetenz darstellen.

Im konkreten Fall konnte der Betreiber z. B. darlegen, dass teils eine Pflegestufe bekannt war, erhebliche Einschränkungen des Bewegungsapparats bestanden, die die Benutzung eines Rollators oder Rollstuhls erforderlich machen oder eine fortwährende Alkoholabhängigkeit festzustellen war.

Qualifizierte Einrichtung

Die Einrichtung muss darüber hinaus grundsätzlich als qualifizierte Einrichtung im Sinne des Gesetzes gelten. Das bedeutete im Fall dass die Betreuungs- oder Pflegekosten in heute mindestens 25 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet werden. Bei Bewohnern mit Pflegegrad wird die Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger unterstellt. Einer gesonderten Anerkennung der Qualifizierung bedarf es nicht.

Fazit

Die Entscheidung unterstreicht, dass die LEistungen des betreuten Wohnens, die eng mit der Sozialfürsorge verbunden sind, grundsätzlich umsatzsteuerfrei sein können. Für die Praxis bedeutet dies, dass entsprechende Leistungen in der Abrechnung umsatzsteuerfrei gestellt werden können.

Unser Tipp

Für weitere Informationen oder sollte es in der Praxis dennoch zu Schwierigkeiten mit Ihrem Finanzamt bzgl. der Anerkennung der Steuerfreiheit kommen, sind wir gerne für Sie da.

Ihre Ansprechpartner

Oliver Warneboldt
Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Geschäftsführer
Dr. Benjamin Lüders
Rechtsanwalt und Notar

Kontaktformular





    Ein Beitrag von Oliver Warneboldt, Dr. Benjamin Lüders

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