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Unternehmensberatung für der Pflegebranche

Tariftreue in der Pflege – Licht, aber auch viel Schatten

Guter Lohn für gute Arbeit: Seit September 2022 gilt in Deutschland bundesweit eine Tariftreuepflicht für Pflegeanbieter, die ihre Leistungen über die gesetzliche Pflegeversicherung abrechnen. Der lobenswerte Grundgedanke gestaltet sich in der Praxis jedoch äußerst schwierig.

LW.P Lüders Warneboldt hat seitdem zahlreiche Pflegeeinrichtungen erfolgreich bei der Refinanzierung ihrer durch das neue Gesetz gestiegenen Kosten begleitet.

Ein Beispiel aus der Praxis über viele Herausforderungen, zähe Verhandlungen und adäquate Lösungen.

Eine typische Pflegeeinrichtung in Niedersachsen. Rund 60 vollstationäre Pflegeplätze mit eingestreuter Kurzzeitpflege im Einzugsbereich einer mittelgroßen Stadt. Bis dato nicht tarifgebundene Löhne.

Herausforderung: Anpassung der Gehälter

Aufgrund der spät veröffentlichten notwendigen Informationen seitens der Pflegekassen existierte nur ein kurzer Zeitraum zur Entscheidung, ob die Pflegeeinrichtung sich an einen bestehenden Tarifvertrag anlehnt oder das Entgeltniveau ihres Pflege- und Betreuungspersonals anhand der regionalen Entgeltniveaus anpasst. Diese Einrichtung entschied sich für die zweite Variante.

So haben wir zunächst die zuletzt gezahlten Gehälter mit den ab dem 1. September 2022 zu zahlenden Gehaltsniveaus verglichen. Das Ergebnis: Die Tariftreue führt zu prospektiven Personalkostensteigerungen von ca. 24 %.

Eine derartige Gehaltssteigerung war über die bisherige Pflegesatzvereinbarung nicht refinanziert. Da die bestehende Vereinbarung ohnehin zum 1. August 2022 auslief, konnten wir in diesem Fall gemeinsam mit der Einrichtung auskömmliche Pflegesätze zur Einführung der Tariftreue zeitnah umsetzen.

Bei vielen anderen Einrichtungen mit längerfristigen Vereinbarungen war dies weitaus schwieriger. Dennoch ist es uns nach endlosen Verhandlungen mit den Kostenträgern auch dort gelungen, neue zufriedenstellende Vereinbarungen abzuschließen.

Herausforderung: Bearbeitungsstau

Durch die Einführung der Tariftreue musste die überwiegende Mehrheit der Pflegeeinrichtungen spätestens zum 1. September 2022 neue Pflegesätze verhandeln. Dies führte allerdings zu einem erheblichen Bearbeitungsstau bei den Kostenträgern, so dass zum Stichtag die Refinanzierung für viele Einrichtungen nicht gesichert war. Trotzdem mussten die höheren Gehälter bereits umgesetzt werden, da ansonsten der Versorgungsvertrag gekündigt worden wäre.

Herausforderung: Tariftreue – aber nicht für alle

Eine weitere Problematik bei der Verhandlung zur Umsetzung der Tariftreue bestand darin, dass die Pflegedienstleitungen sowie das Personal der Wirtschaftsdienste, Verwaltung und des Technischer Dienstes nicht in der Tariftreueregelung enthalten sind.

Folge: Die Kostenträger der Pflegeeinrichtung boten in unserer Verhandlung geringere refinanzierte Kosten an als für die Pflegefachkräfte, obwohl auch für die genannten Beschäftigten in dem anstehenden Pflegesatzzeitraum von deutlichen Gehaltssteigerungen auszugehen war, bspw. durch die Anhebung des Mindestlohns.

Herausforderung: Personalschlüssel

Im Zuge der Pflegesatzverhandlung prüften die Kostenträgern ferner anhand der von uns erstellten Nachweise die Einhaltung der Personalschlüssel sowie die Entlohnung gemäß der bisherigen Pflegesatzvereinbarung. Hierfür waren zahlreiche Austausche mit den Kostenträgern notwendig. Am Ende gelang es uns, den Nachweis von eingesetztem Fremdpersonal sowie die anhaltend hohen Kosten für die Haltung von bestehendem und Anwerbung von neuem Personal erfolgreich darzulegen.

Herausforderung: Personalmangel

Der allgemeine Personalmangel in der Pflege, mittlerweile auch von Pflegehilfskräften und sonstigem Personal, wird immer problematischer.

Im vorliegenden Beispiel versuchte die Einrichtung mit dem Einsatz von zwei ausländischen Pflegefachkräften diesem entgegenzuwirken. Das führte zwischen uns und den Kostenträgern zu einem zähen Ringen um Anerkennung der hieraus entstandenen Kosten i. H. v. von ca. 17.000 €.

Zudem erfolgte die Anerkennung der Fachkraftqualifikation in Deutschland erst ein halbes Jahr nachdem diese Kräfte bereits tätig waren. Einen Teil der hierdurch entstandenen Verluste haben wir im Zuge der Pflegesatzverhandlung jedoch erfolgreich abgewendet.

Mittlerweile hat der Bundesgesundheitsminister sehr zum Leidwesen der Pflegeeinrichtungen bekannt gegeben, dass zukünftig generell keine Refinanzierungen von Fremdpersonal mehr erfolgen dürfen.

Herausforderung: Hohe Preissteigerungen

Die immensen Kostensteigerungen im Jahr 2022 haben die Pflegeeinrichtung finanziell stark belastet, ohne dass diese flexibel ihre Preise anpassen konnte. Hier gestalteten sich die Verhandlungen mit den Kostenträgern besonders schwierig, vor allem im Hinblick auf die Entwicklung der Energiekosten.

Zum einen war unklar, wie hoch die finanzielle Belastung durch die gestiegenen Energiekosten tatsächlich bei der Pflegeeinrichtung zu Buche schlagen würde, zum anderen war zum Zeitpunkt der Verhandlung zudem unklar, ob weitere Energiekostensteigerungen zu außerordentlichen unterjährigen Pflegesatzverhandlungen berechtigten. Diese Möglichkeit hat der Gesetzgeber mittlerweile durch Ergänzung im § 85 Abs. 7 SGB XI den Pflegeeinrichtungen eröffnet.

Die Kosten für den medizinisch-pflegerischen Sachbedarf wollten die Kostenträger anfänglich ebenfalls nur auf dem Niveau von vor der Coronapandemie gewähren. Hier konnten wir letztlich erfolgreich nachweisen, dass die Kosten auch nach Auslaufen des Pflegerettungsschirms zum 30. Juni 2022 deutlich oberhalb der früher üblichen Werte liegen.

Zum November 2022 haben wir gemeinsam mit der Einrichtung die Einrichtung pauschale Vergütungszuschläge nach PSK-Empfehlung vom 31. August 2022 beantragt. Hierdurch konnte die Einrichtung pauschal 18,5 % höhere Beträge für Unterkunft und 25 % höhere Beträge für Verpflegung abrechnen.

Herausforderung: Inanspruchnahme der Energiehilfen

Hier war schnelles Handeln gefordert! Gemeinsam mit dem Träger der Einrichtung mussten wir innerhalb von 15 Werktagen die rückwirkenden Anträge stellen. Bis einschließlich April 2024 werden den Pflegeeinrichtungen über monatliche Anträge die Kostensteigerungen im Vergleich zum März 2022 für leitungsgebundenes Erdgas, Fernwärme und Strom erstattet.

Für die Pflegeeinrichtung unseres Praxis-Beispiels konnten wir erfolgreich die Erstattungen beantragen. Aufgrund der sehr eng definierten Richtlinien für die Erstattung ergibt sich für viele Einrichtungen jedoch kein, beziehungsweise nur ein sehr geringer Erstattungsanspruch.

Was gilt fortan in Niedersachsen?

Aufgrund der vorrangig verpflichtenden Inanspruchnahme der Erstattung der Energiehilfen des Bundes müssen die Pflegeeinrichtungen in Niedersachsen den Anteil der Energiekosten an den Pauschalen für den Unterkunftsbetrag über die Reduzierung zukünftiger Tagesbeträge für die Unterkunft zurückerstatten. Hierbei hat jede Pflegeeinrichtung die Wahl, dies im Zuge der nächsten Pflegesatzverhandlung zu tun oder unterjährig bei bestehender Vereinbarung.

Unser Tipp:

Aufgrund der Komplexität der neuen rechtlichen Vorgaben und der allgemeinen derzeitigen Situation empfiehlt es sich, fachkundige Hilfe bei den Pflegedienstverhandlungen in Anspruch zu nehmen. Unser Pflege-Expertenteam ist gerne für Sie da!